Referenzdaten – vom unterschätzten Datentyp
zum Schlüssel für höhere Datenqualität

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Ansätze zur nachhaltigen Harmonisierung und Pflege von Referenzdaten

Obwohl sie für eine Vielzahl von kritischen Geschäftsprozessen benötigt werden, genießen Referenzdaten bislang oft nur geringe Aufmerksamkeit. Nur wenige Unternehmen verfügen über eine Strategie zur systematischen Harmonisierung und Pflege dieser Daten. Die Folge: klare Verantwortlichkeiten im Unternehmen fehlen, notwendige Anpassungen werden verschleppt und das Risiko inkonsistenter oder fehlerhafter Datensätze steigt. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden und die Datenqualität sicherzustellen, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes – jenseits reiner Toollösungen.

Geht es um Stammdaten, haben die meisten Unternehmen den Wert eines systematischen Datenmanagements längst erkannt: denn vollständige, gepflegte und optimal aufeinander abgestimmte Material-, Kunden-, Lieferanten- oder Finanzstammdaten machen Unternehmen effizienter und erfolgreicher. Viele von ihnen haben daher in den vergangenen Jahren bereits eine zentrale Stammdatenorganisation sowie entsprechende Governance-Prozesse etabliert.

Ein anderer Datentyp wird oft übersehen: Referenzdaten bilden die Grundlage für eine Vielzahl von Stamm- und Bewegungsdaten. Sie liefern wichtige Informationen zur Strukturierung, Klassifizierung und Kategorisierung des jeweiligen Datenobjektes und werden häufig in Form eines Schlüssels über die gesamte Systemlandschaft in eine Vielzahl von SAP-eigenen und -fremden Subsystemen weiterverteilt. Stimmen die Referenzdaten der jeweiligen Subsysteme nicht überein, können Datenobjekte unter Umständen nicht zugeordnet werden – es drohen Prozessbrüche.

 

Die unterschätzte Komplexität von Referenzdaten

Referenzdaten bestehen aus einem definierten Satz an Werten, auf die von anderen Datenobjekten im Rahmen von Geschäftsprozessen referenziert wird. Dazu gehören beispielsweise Daten wie Ländercodes und Währungen, Maßeinheiten, Temperaturbedingungen oder definierte Organisationseinheiten. Hinter jedem dieser Datentypen verbergen sich in der Regel wiederum zusätzliche Parameter, die z. B. festlegen, in welchem Format steuernde Informationen im jeweiligen Land kodiert werden. Die daraus resultierende Komplexität wird häufig unterschätzt.

Für Unternehmen ergeben sich daraus zwei Herausforderungen: Zum einen führt die Vielzahl an Informationen, die mit einem Datenobjekt wie z. B. einem Land verknüpft sind, dazu, dass Referenzdaten meist nicht eindeutig lokalisierbar sind, sondern in einer Vielzahl von Systemen verwendet werden bzw. dort Auswirkungen haben, aber nicht klar ist, in welchem System führend gepflegt wird. Zum anderen sind Parameter wie Ländereinstellungen nicht immer klar definiert, können je nach lokaler Nutzung oder Zweck variieren und erfordern daher oft spezielles fachliches oder lokales Know-how zur Bestimmung und Interpretation der Daten.

 

Pflege von Referenzdaten als Herausforderung

Aufgrund der beschriebenen Rahmenbedingungen ist die Pflege von Referenzdaten oft sehr aufwändig. Obwohl Referenzdaten in der Regel weitgehend stabil sind, kann es im Laufe der Zeit immer wieder zu Änderungsbedarfen kommen. Notwendig werden diese Anpassungen zum einen durch externe Einflüsse, etwa wenn sich wie im Falle des Brexit Länderinformationen ändern, neue Länder hinzukommen oder Regulierungsbehörden wie die ISO ihre Systematiken anpassen. Zum anderen kann die Anbindung von Drittsystemen oder der Zukauf von Unternehmenseinheiten dazu führen, dass Referenzdaten angepasst oder harmonisiert werden müssen. In diesem Zusammenhang sind Unternehmen typischerweise mit folgenden Herausforderungen konfrontiert:

 

  • Fehlendes Problembewusstsein
    Einer der Hauptgründe, warum das Referenzdatenmanagement in vielen Organisationen vernachlässigt wird, ist das mangelnde Verständnis für die Bedeutung und Komplexität dieser Art von Daten. Die Aufwände und Auswirkungen im Zusammenhang mit fehlerhaften Referenzdaten werden häufig unterschätzt. Dies führt zu einer mangelnden Bereitschaft innerhalb der Organisation, sich mit Initiativen zur Harmonisierung von Referenzdaten zu befassen.

  • Unklare Verantwortlichkeiten
    Im Gegensatz zu typischen Stammdatenobjekten wie Kunden oder Lieferanten, die häufig einzelnen Abteilungen zugeordnet werden können, werden Referenzdaten von nahezu allen Organisationsbereichen in unterschiedlicher Weise genutzt. Dies erschwert es, klare Verantwortlichkeiten für bestimmte Objekte dieser Datenart zu definieren. Gleichzeitig verfügen Teams wie die zentrale Stammdatenorganisation oft nicht über die organisatorische Durchschlagskraft oder das fachliche Know-how, um Referenzdaten zentral zu definieren.

  • Hohe Aufwände für Management und Harmonisierung der Daten
    Gerade in historisch gewachsenen Systemen mit einer Vielzahl von angebundenen Prozessen sind Anpassungen der Referenzdaten mit hohem Aufwand verbunden, da diese in verschiedenen Subsystemen von unterschiedlichen Abteilungen gepflegt werden müssen. Dies führt häufig dazu, dass nur zwingend notwendige Änderungen in den jeweils unmittelbar betroffenen Systemen durchgeführt werden, ohne ganzheitliche Betrachtung.

  • Komplexe Auswirkungen von Datenanpassungen
    Viele Referenzdaten wie Länderzuordnungen oder Maßeinheiten sind so grundlegend, dass sie an sehr zahlreichen Stellen im SAP-Datenmodell verwendet werden. Aufgrund dieser Verästelung ist es äußerst schwierig, die Auswirkungen von Änderungen an Referenzdaten auf die gesamte Systemkette nachvollziehen bzw. vorhersagen zu können. Gleichzeitig erhöht der Mangel an Transparenz das Risiko von Fehlkonfigurationen, die möglicherweise zu schwerwiegenden Störungen in zentralen Businessprozessen führen könnten.

All das führt dazu, dass viele Organisationen Eingriffe in die Referenzdaten scheuen, notwendige Änderungen aufschieben und, statt eine echte Datenharmonisierung durchzuführen, auf ein Datenmapping zurückgegriffen wird.

 

Vorteile harmonisierter Referenzdaten

Im Vergleich zum Mapping ist die Harmonisierung von Referenzdaten zwar ein aufwändiger Prozess, bietet aber große Vorteile im Hinblick auf ein nachhaltiges Datenmanagement. Organisationen profitieren in mehrfacher Hinsicht: Zum einen bilden konsistente Referenzdaten die Voraussetzung für eine insgesamt höhere (Stamm-)Datenqualität und verbessern die Reporting- und Analysefähigkeiten von Organisationen sowie den Datenaustausch mit externen Ökosystempartnern wie Kunden oder Regulierungsbehörden. Zum anderen reduzieren harmonisierte Referenzdaten den Integrationsaufwand bei der Anbindung neuer Systeme im Rahmen von Akquisitionen oder bei der Integration von Third-Party-Systemen durch die zentrale Bereitstellung konsistenter betrieblicher Standards. Und schließlich dienen zentral gepflegte, aktuelle Referenzdaten als zentraler Know-how-Speicher, der eine reibungslose Durchführung von länderübergreifenden Businessprozessen unterstützt und Abstimmungsaufwände beim Aufbau neuer Schnittstellen oder der Etablierung neuer Prozesse reduziert.

 

Ansatz zur Etablierung eines nachhaltigen Referenzdatenmanagements

Die Harmonisierung von Referenzdaten ist weit mehr als eine rein technische Herausforderung. Um ein effektives und kontinuierliches Referenzdatenmanagement in der Organisation zu gewährleisten, ist vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der die Verantwortung für Referenzdaten in der Organisation klar definiert und effektive Governance-Strukturen und -Prozesse für die organisationsweite Verwaltung und Synchronisierung von Referenzdaten etabliert.

Dazu muss zunächst ein organisationsweit gültiger Standard definiert werden, der die Verantwortlichkeiten für die Datenpflege eindeutig festlegt. Dabei ist darauf zu achten, dass die jeweilige Einheit einerseits das Mandat der Geschäftsführung besitzt, die Referenzdatenharmonisierung in der gesamten Organisation durchzusetzen, und andererseits über das notwendige fachliche Know-how verfügt. Sind die Verantwortlichkeiten für die Datenhaltung und -pflege festgelegt, sollte sich die Organisation über alle eingesetzten Systeme hinweg Transparenz darüber verschaffen, an welchen Stellen in der bestehenden Systemlandschaft die Referenzdaten vom Soll-Standard abweichen und Anpassungen vorgenommen werden müssen. Auf dieser Basis können dann die notwendigen Maßnahmen zur Synchronisation der Referenzdaten geplant und umgesetzt werden. Um die betroffenen Einheiten dabei nicht zu überfordern und Prozessbrüche zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Auswirkungen dieser Anpassungen im Rahmen einer Change-Impact-Analyse zu untersuchen. Dabei kann die Datenharmonisierung auch gestaffelt erfolgen, indem zunächst nur neue Systeme den Soll-Standard übernehmen und bestehende Subsysteme gemappt werden. Sind die Anpassungen umgesetzt, müssen robuste Governance-Prozesse für das kontinuierliche Management und die Pflege der Referenzdaten eingeführt werden. In dieser Phase können auch entsprechende Software-Tools helfen, die Referenzdaten zentral zu pflegen und bereitzustellen.

 

 

Fazit

In der Diskussion um Datenqualität im Unternehmen stehen Referenzdaten in der Regel nicht im Mittelpunkt der Betrachtung. Mangelndes Wissen über die Komplexität und die Auswirkungen von inkonsistenten und schlecht gepflegten Referenzdaten führt dazu, dass in vielen Organisationen noch kein systematischer Ansatz zum Management von Referenzdaten existiert. Der Versuch, diese Lücke allein auf der Tool-Ebene zu schließen, greift zu kurz. Vielmehr müssen Verantwortlichkeiten und Prozesse etabliert werden, mit denen die Konsistenz und Aktualität der Referenzdaten über alle Systeme hinweg nachhaltig sichergestellt werden kann. Richtig umgesetzt, lassen sich Integrations- und Abstimmungsaufwände rund um die damit verbundenen Geschäftsprozesse wirksam reduzieren – und wird das Referenzdatenmanagement zum Enabler für eine nachhaltig gute Datenqualität als Basis für eine bessere Entscheidungs- bzw. Analysefähigkeit im Unternehmen.

Unternehmen, die sich ohnehin mit ihrer Stammdatenstrategie auseinandersetzen, ihr Stammdatentool austauschen oder ihre Systeme im Zuge der S/4HANA Transformation neu aufsetzen, sollten daher auch die Referenzdaten in den Blick nehmen und die Gelegenheit nutzen, übergreifende Standards zu definieren und Prozesse zu etablieren, um diese effektiv nachzuhalten.

 

Autor

msg Richard Follmann

Richard Follmann | Senior Manager Data & Analytics

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