Stammdatenmanagement in der Digitalisierung

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Der verborgene Werttreiber: Stammdatenmanagement in der Digitalisierung

Wie Unternehmen ein solides Fundament für die datengetriebene Ökonomie schaffen

Stammdaten bilden das Fundament der datengetriebenen Ökonomie. Ihr Management ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass Koordination und Entscheidungsfindung im Kontext von Industrie 4.0 bzw. Supply Chain 4.0 überhaupt möglich sind. Dennoch erkennen viele Unternehmen die Bedeutung des Themas erst dann, wenn Fehler im Stammdatenmanagement zu einer ernsten Bedrohung für das Kerngeschäft werden. Wie kommt es zu solchen Friktionen? 

Stammdatenmanagement und Globalisierung 

Durch die zunehmend globale Ausrichtung von Unternehmen und die Integration von Wertschöpfungsketten können sich die in einem Netzwerk existierenden Verständnisse davon, was Stammdaten sind, signifikant unterscheiden. Dies ist besonders im Einkauf ein Thema. Welche Eingabefelder werden gepflegt? Sind die Angaben in Kilogramm oder in andere Maßeinheiten? Rechnet man in Metern oder Millimetern? Solche nur scheinbar trivialen Probleme potenzieren sich dann, wenn etwa aus einer Region bestellt wird, in der nicht oder nicht ausschließlich das metrische System verwendet wird. Ein anderes Beispiel sind die je nach Ländern unterschiedlichen Tastaturen. Das wird zum Beispiel bei der Definition von Adressfeldern und Artikelbezeichnungen zur Herausforderung – oder bei Weiterleitung der Daten ins Lager und ihrer weiteren, richtigen Verarbeitung. Das Ergebnis dieser auf den ersten Blick wenig spektakulären Abweichungen kann zum Beispiel in der Falschberechnung der Maximallasten von LKWs resultieren. Und damit in gravierenden Verspätungen, Lieferausfällen und hohen Kosten.  

Strategische Relevanz und Komplexitätshandhabung 

Doch es geht natürlich nicht nur um die operativen und taktischen Probleme, die schlechte Daten in einer datengesteuerten Lieferkette verursachen. Unternehmen müssen heute in immer kürzerer Zeit Entscheidungen treffen – auf Basis von Daten, die entsprechend schnell und genau verfügbar sein sollten. Sind die Stammdaten nicht gut gepflegt, erhält man ein verzerrtes Bild: Falsche Prioritäten bei falschen Kunden, ungenaue Umsatzzahlen, falsche Servicelevel, Wiederbeschaffungszeiten und Mengen. Dadurch gehen nicht nur Geschwindigkeit und Einsparpotenziale verloren, sondern vor allem die Vertrauenswürdigkeit, die in einer hochintegrierten Supply Chain von essenzieller Bedeutung ist.  

Um diese Herausforderungen im Griff zu behalten, ist eine konsequente Komplexitätsreduktion erforderlich. Mit Blick auf das Stammdatenmanagement bedeutet das vor allem, den gesamten Datenfluss von der Beschaffung über die Lagerhaltung und Produktion bis hin zur Kundenschnittstelle zu harmonisieren und zu standardisieren, so dass valide und aktuelle Daten zu jedem Zeitpunkt und für jeden autorisierten Nutzer bereichsübergreifend verfügbar sind. Unsere Projekterfahrung zeigt, dass dieser Prozess immer wieder durch Komma- und Formatfehler, Texteingaben in Zahlenfeldern, oder vergleichbare Ungenauigkeiten „korrumpiert“ wird. Es ist deshalb erfolgskritisch, globale Guidelines für Struktur und Qualität der Stammdaten zu definieren und systematisch anzuwenden.  

Guidelines für das Stammdatenmanagement 

Die Entwicklung der Guidelines für das Stammdatenmanagement beginnt üblicherweise mit der Definition von einheitlichen und verbindlichen Prozessen. Darauf aufbauend werden konkrete Rollen und Regeln abgeleitet. Denn die Implementierung konsistenter und bereichsübergreifender Datenfelder ist nur möglich, wenn Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar und verbindlich benannt sind. Im nächsten Schritt werden die relevanten Stammdaten genau definiert und beschrieben, um oben beschriebene Fehler von vornherein auszuschließen oder zumindest signifikant zu reduzieren. Sind diese Festlegungen erfolgt – und zwar so, dass der Prozess schlank, logisch und anwenderfreundlich ist – müssen die Stammdaten in einer integrierten IT-Architektur, in der Regel einem ERP-System, zusammengeführt werden. Erst so lässt sich sicherstellen, dass der Wildwuchs an Speichern und Systemen – von Excel-Tabellen über Lagerverwaltungssysteme bis hin zu persönlichen Notizen einzelner Mitarbeiter – ein Ende findet.  

Goldene Mitte zwischen Strategie und Maschinenraum 

Trotz der geschäftskritischen Relevanz aktueller, valider und integrierter Stammdaten sollte man den Gesamtprozess auf keinen Fall aus der rein strategischen Perspektive betrachten. Denn dies blendet die zwingend notwendigen, konkreten Schritte und Wiederholungsschleifen aus, von denen ein gut funktionierendes Stammdatenmanagement lebt. Dabei geht es darum, mit effektiven Tools und Methoden die Stammdaten auszuwerten und zu gewichten, den Prozess transparent zu machen und pragmatische und skalierbare Lösungen zu entwickeln: von der Stammdatenpflege über die Prozessoptimierung bis hin zu einer umfassenden Lösung.  

Dazu gehört auch, die Position eines Stammdatenbeauftragten zu definieren und diese Instanz mit den notwendigen Ressourcen, Know-how und Kompetenzen auszustatten. In der Praxis ist dann das Zusammenspiel aus klaren Strukturen, sauberen, integrierten und governance-basierten Prozessen, einer optimalen IT-Struktur und eines Prozessverantwortlichen besonders wichtig. Denn nur so lässt sich gewährleisten, dass die erreichten Verbesserungen erhalten bleiben. Andernfalls kann die einmal erreichte Datenqualität wieder nach und nach zerfasern. Etwa dadurch, dass Stammdaten nicht mehr weitergepflegt werden und veralten. Stammdatenmanagement muss also als kontinuierlicher, integraler Prozess konzipiert werden – nicht als eine begrenzte strategische Initiative! 

KI als Stammdatenmanager 

In diesem Prozess bieten inzwischen auch Systeme mit künstlicher Intelligenz (KI) wirkungsvolle Unterstützung. Beispielsweise kann eine Papierrechnung so ausgelesen werden, dass ein automatischer Vergleich der Informationen im Rechnungstext (aber auch im Dokumentenfuß) mit den in den eigenen Systemen hinterlegten Daten erfolgt und Inkonsistenzen erkannt und kommuniziert werden. Eine weitere wichtige Funktion kann in der Plausibilitätsprüfung der Angaben liegen. Hier arbeitet die KI häufig mit Korridoren, um gewisse Schwankungen zuzulassen und gleichzeitig grobe Fehlangaben zu vermeiden, die massiv schädliche Auswirkungen haben können: es kann im Toleranzbereich liegen, eine 11 statt einer 10 einzugeben. Aber eben keine 100 statt einer 10.  

Ein weiteres Beispiel ist das Management von E-Mail-Bestellungen, die nach wie vor sehr häufig manuell in Bestellsysteme übertragen werden müssen – eine hochgradig neuralgische Quelle potenzieller Fehler und Ineffizienzen. An dieser Schnittstelle tritt das KI-System in Aktion. Es fängt die E-Mails ab, liest sie nach relevanten Kriterien wie Kundendaten oder Bestellmenge aus und gibt sie automatisch in das System ein, das auch an das ERP-System angebunden ist. Auf dieser Basis erfolgen mit jeder Bestellung ein Datenabgleich mit der unternehmensweiten Stammdaten-Datenbank sowie eine automatische Korrektur, falls Abweichungen festgestellt werden.  

Rechtlicher Rahmen: Stammdaten, Datenschutz und Nachverfolgbarkeit 

Bei einem ganzheitlich konzipierten Stammdatenmanagement gilt es natürlich nicht nur, die technischen und prozessualen Faktoren im Blick zu behalten, sondern auch die übergeordneten rechtlichen Rahmenbedingungen. Datenschutzvorschriften, aktuell insbesondere die EU-DSGVO, spielen dabei eine wesentliche Rolle, wie sich anhand eines Beispiels illustrieren lässt: In vielen Lagerhäusern müssen Versandlabels gedruckt werden, die Adressdaten und andere Kundendaten enthalten. Nach den Regularien der EU-DSGVO dürfen die entsprechenden Daten jedoch nur noch selektiv und von einem klar definierten Personenkreis eingesehen und verwaltet werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass bei einer globalen Systemarchitektur die Stammdaten, die bislang irgendwo auf der Welt auf einem Server gespeichert und über eine Cloud-Anwendung bereitgestellt wurden, nun an einem rechtlich genau definierten Ort zu speichern sind. Das kann unter Umständen einen „Datenumzug“ aus dem Ausland nach Europa bedeuten. Solche Entwicklungen erfordern deshalb ganz neue Prozesse und Regelwerke, die bislang in der IT de facto keine Rolle gespielt haben.  

Stammdaten als Hygienefaktor 

Das Stammdatenmanagement ist also keine bürokratische Angelegenheit, sondern ein geschäftskritischer Prozess. Und gerade wegen seiner scheinbaren Trivialität benötigt es ein aktives Backing des Managements. Es erfordert signifikante Ressourcen und ist darauf angewiesen, dass sein Wert im Unternehmen deutlich und transparent kommuniziert wird. Erfahrungen zeigen, dass Stammdateninitiativen oft daran scheitern, dass der strategische Nutzen valider, aktueller und rechtskonformer Stammdaten nicht erkannt wird. Stammdaten sind im Kern ein Hygienefaktor – ihr Wert wird meistens erst gesehen, wenn es zu Schwierigkeiten kommt.  

Insbesondere im Kontext der Digitalisierung, der unternehmensübergreifenden Vernetzung und der Umsetzung von Industrie 4.0 werden Stammdaten sowohl komplexer als auch wichtiger. Denn eine Datenökonomie funktioniert ohne verlässliche Daten ebenso wenig wie KI-Lösungen, die auf falschen Datenfundamenten stehen. Am Ende ist es eben doch mehr als nur ein Kommafehler…  

Autor

msg Daniel Fathmann

Daniel Fathmann | Manager Supply Networks

Daniel Fathmann ist bei der msg industry advisors ag für den Bereich Sustainable Supply Chains verantwortlich. Dank seiner langjährigen Erfahrung im operativen Supply Chain Management und seiner Expertise im Bereich der Nachhaltigkeit ist er Experte für die aktuellen Herausforderungen. Er unterstützt Unternehmen bei der nachhaltigen Ausrichtung von Lieferketten.

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